Berlin. Die Zahl der deutschen Aktienbesitzer steigt, vor allem auch die Gruppe der unter 30-jährigen Anleger wächst weiter. Weitere 49.000 Junganleger sind 2021 unterm Strich hinzugekommen. Derzeit gibt es also rund 1,488 Mio. Aktien-, Fonds- und ETF-Besitzer im Alter unter 30 Jahren. Damit fiel das Wachstum zwar nicht mehr ganz so stark aus wie direkt nach dem Coronacrash und dem darauffolgenden Börsenaufschwung, allein 2020 investierten fast 600.000 unter 30-Jährige zum ersten Mal an der Börse, dash entsprach einer Steigerung um knapp 70 Prozent zum Vorjahr. Aber: „Der Trend ist 2021 geblieben, auch im Jahr 2021 ist die Zal der Aktiensparerinnen und -sparer in der Altersgruppe unter 30 Jahren gewachsen“, sagt Christine Bortenlänger geschäftsführende Vorständin des Deutschen Aktieninstituts DAI: „Junge Menschen erkennen und nutzen zunehmend die Vorteile der Aktienanlage.“ Seit der Finanzkrise 2008 haben sich laut DAI fast vier Millionen Neuanleger an den Aktienmarkt gewagt – darunter rund eine Million im Alter von unter 30 Jahren, was inklusive der bereits investierten Junganleger die 1,488 Mio. unter 30-jährigen Aktionäre ergibt.
Beflügelt wird der Trend junger Menschen an die Börse von Neobrokern wie Trade Republic, sowie Smartbrokern und RoboAdvisorn wie Scalable Capital. Aber selbst Sparkassen und Volksbanken verzeichnen Hunderttausende neue Fondssparpläne. Zudem gaben rund 46 Prozent der Deutschen im jüngsten Anlagebarometer von Union Investment an, in Investmentfonds investieren zu wollen. Damit blieben zwar die Immobilien auf Platz eins der beliebtesten Anlageklassen, doch die Fonds belegten erstmals bereits Platz drei. Rund jeder zweite Deutsche kann sich inzwischen also vorstellen, in Fondssparpläne zu investieren – ein Anstieg um 18 Prozent. Und es sind meist dreistellige Summen, die in solche Sparpläne fließen: Jeder dritte Fondssparer legt zwischen 100 und 250 Euro im Monat an, jeder vierte schafft sogar 250 bis 500 Euro.
„Investieren muss so einfach sein wie eine Bestellung bei Zalando“, so sagt Trade-Republic-Chef und Gründer Christian Hecker, „viele junge Menschen halten Geldanlage am Kapitalmarkt für sinnvoll, empfinden es aber als zu komplex und elitär.“ Die jungen Anleger wünschten sich deutlich einfachere Lösungen, sagt auch Andreas Telschow, zuständig für den deutschen Privatkundenvertrieb der US-Vermögensverwaltung Fidelity: „Millennials erwarten als Digital Natives leicht zugängliche digitale Angebote. Ein zentraler Faktor dabei ist eine verständliche Kommunikation.“ Aber auch das Thema Nachhaltigkeit spiele eine immer größere Rolle.
Zudem investierten die Junganleger vorwiegend breit gestreut und längst nicht so riskant, wie man annehmen könnte: Unter den zehn beliebtesten Papieren der Scalable-Kunden unter 30 Jahren etwa, so sagt Erik Podzuweit, Gründer von Scalable Capital, seien neun ETFs (Indexfonds) und nur eine Aktie, nämlich die Apple-Aktie. „Die unter 30-Jährigen halten über 70 Prozent ETFs und rund 25 Prozent Aktien“. Zertifikate und Hebelprodukte würden mit 2,5 Prozent nur wenig genutzt. Ähnlich bestätigten es die Zahlen des DAI, sagt Vorständin Christine Bortenlänger: „In allen Altersklassen wird die Anlage in Fonds oder ETFs stärker genutzt als die direkte Anlage in ausgewählte Einzelaktien. Im Schnitt besitzen 57 Prozent aller Aktiensparerinnen und -sparer ausschließlich Fonds oder ETFs. Weitere 26 Prozent haben ausschließlich Aktien im Depot, und 17 Prozent nutzen beide Formen der Aktienanlage.“
Finanzmarktforscherin Alexandra Niessen-Ruenzi, Professorin für empirische Kapitalmarktforschung in Mannheim, begrüßt zwar den Trend zum Aktienhandel, sieht aber die vielen Apps kritisch, die das Anlegen so leicht machen: „Sie befördern nicht das Anlageverhalten, das ich aus wissenschaftlicher Sicht empfehlen würde. Man guckt dauernd auf diese Apps drauf. Man fängt an, viel zu handeln. Das ist nicht unbedingt die optimale Strategie für Kleinanleger.“
PM/CAPITAL