Frankfurt am Main. Das Ziel der Klimaneutralität Deutschlands erfordert umfangreiche Investitionen in allen Wirtschaftssektoren. Dies ist nicht nur klimapolitisch geboten, sondern angesichts der fossilen Energiekrise auch ein wichtiger strategischer Schlüssel für die künftige Energiesicherheit. Vor diesem Hintergrund hat KfW Research mit dem KfW-Klimabarometer eine neue Unternehmensbefragung konzipiert, die die erste und bislang einzige repräsentative Datenbasis für das Investitionsverhalten aller deutschen Unternehmen – vom Kleinstunternehmen bis zum Großunternehmen – auf dem Weg zur Klimaneutralität liefert. Demnach hat die deutsche Wirtschaft im Jahr 2021 inländische Klimaschutzinvestitionen in Gesamthöhe von 55 Mrd. EUR getätigt. Davon entfällt jeweils die Hälfte auf den Mittelstand (bis maximal 500 Mio. EUR Jahresumsatz) und die Großunternehmen.
„Jeder achte Euro aller Investitionen des deutschen Unternehmenssektors von 433 Mrd. EUR floss im vergangenen Jahr in Energiewendevorhaben“, kommentiert Dr. Fritzi Köhler-Geib, Chefvolkswirtin der KfW. „Das sind beeindruckende Summen und es ist ein guter Anfang, allerdings muss noch mehr passieren. Um Klimaneutralität in Deutschland bis Mitte des Jahrhunderts zu erreichen, sind Gesamtinvestitionen von 5 Bio. EUR nötig, durchschnittlich rund 190 Mrd. EUR pro Jahr. Allein private Unternehmen müssen jährlich Investitionen in Höhe von ca. 120 Mrd. Euro klimafreundlich ausrichten. Das Ambitionsniveau muss sich folglich in den kommenden Jahren noch mehr als verdoppeln.“
Für das laufende Jahr 2022 erwarteten die Unternehmen in der ersten Jahreshälfte noch weitestgehend stabile Klimaschutzinvestitionen: Mehr als drei Viertel (77 %) derer, die bereits im Jahr 2021 diesbezüglich aktiv waren, gingen zum Befragungszeitpunkt zwischen Februar und Juni 2022 von einem unveränderten Investitionsvolumen im laufenden Jahr aus. Weitere 18 % hatten geplant, ihre Investitionen auszuweiten.
„Die aktuelle Energiekrise hat zwei entgegensetzte Effekte auf die Investitionsneigung“, so Köhler-Geib. „Einerseits setzen die momentan hohen Energiepreise für fossile Energieträger höhere Anreize für einen Umstieg auf erneuerbare Energien und eine Verbesserung der Energieeffizienz. Andererseits führt die extreme Unsicherheit über die wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise dazu, dass Investitionspläne im laufenden Jahr vielfach zurückgestellt oder aufgegeben werden. Auch Klimaschutzinvestitionen dürften davon betroffen sein.“
Das KfW-Klimabarometer liefert auch Informationen zur strategischen Bedeutung des Themas Klimaschutz in den Unternehmen. So ist die Dekarbonisierung in vielen Unternehmen als unternehmerische Herausforderung anerkannt: Mehr als die Hälfte (53 %) der Unternehmen in Deutschland haben zumindest teilweise den Klimaschutz in der eigenen Unternehmensstrategie verankert. Konkrete Treibhausgasminderungsziele
(13 %) und die Kenntnis des eigenen CO2-Fußabdrucks (16 %) sind in der Breite der Unternehmerschaft allerdings bisher die Ausnahme. Größere Unternehmen gehen hier voran. Klimaneutralität strebt bislang insgesamt nur jedes zehnte Unternehmen an, auch wenn dieses Ziel in Deutschland bis zum Jahr 2045 flächendeckend erreicht werden soll. Nahezu die Hälfte der Unternehmen (47 %) kennt das Konzept der Klimaneutralität gar nicht oder hat sich noch nicht näher damit auseinandergesetzt.
Weitere zentrale Erkenntnisse des KfW-Klimabarometers sind:
– Bei den bereits realisierten Klimaschutzprojekten zeigt sich eine deutliche Größenabhängigkeit: Mit wachsender Unternehmensgröße nimmt die Häufigkeit entsprechender Vorhaben zu. Die mit Abstand größte Investitionsneigung zeigen Großunternehmen, von denen mehr als zwei Drittel (68 %) sich 2021 entsprechend engagiert haben. Unter den Kleinstunternehmen mit weniger als 5 Beschäftigten sind es nur 23 %.
– Die allermeisten Unternehmen, die 2021 in Klimaschutz investiert haben, wenden dafür einen eher überschaubaren Betrag auf. Bei Kleinstunternehmen, die die Masse der investierenden Unternehmen darstellen, liegt das durchschnittliche Investitionsvolumen bei 23.000 EUR. Mit der Unternehmensgröße steigen auch die für Klimaschutzvorhaben eingesetzten Investitionsausgaben. Bei größeren Mittelständlern (mehr als 50 Beschäftigte und max. 500 Mio. EUR Jahresumsatz) beträgt es mit 251.000 EUR etwa das 11-fache der Summe, die Kleinstunternehmen einsetzen.
– Am häufigsten investieren Unternehmen in Maßnahmen zur klimafreundlichen Mobilität (47 %), gefolgt von Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz ihrer Gebäude etwa durch Dämmung oder Einbau von Wärmepumpen (32 %). Den dritten Platz nehmen Maßnahmen zur Erzeugung oder Speicherung erneuerbarer Energie ein (27 %).
– Mit Blick auf die Beweggründe der Unternehmen, in den Klimaschutz zu investieren, zeigt sich: Das wirtschaftliche Kalkül einer Senkung der Energiekosten steht für die Unternehmen an erster Stelle. Zwei Drittel der Unternehmen, die im Jahr 2021 in den Klimaschutz investiert haben, nennen diesen Grund. Eine zu ungewisse Wirtschaftlichkeit ist zugleich auch das größte Investitionshindernis: Jedes zweite Unternehmen hält dies für eher oder sehr relevant (48 %). Am zweithäufigsten werden zu lange Amortisationszeiten als Hindernis genannt (42 %), die ebenfalls die Dimension der Wirtschaftlichkeit adressieren. Fast gleich viele Unternehmen sehen fehlende finanzielle Ressourcen (39 %) als Hindernis an.
– Von der Politik wünschen sich die Unternehmen in erster Linie eine Vereinfachung der Planungs- und Genehmigungsverfahren zur Erleichterung von Klimaschutzinvestitionen: Fast zwei Drittel aller Unternehmen halten dies für wichtig. Auf Platz zwei folgt der Wunsch nach mehr Fördermitteln (60 %), gefolgt von mehr Planungssicherheit beim CO2-Preis (56 %).
„Unsere Befragungsergebnisse zeigen: Verlässliche wirtschaftliche Anreize und schlanke Planungs- und Genehmigungsverfahren sind wesentliche Stellhebel für die grüne Transformation der Wirtschaft – und ebnen gleichzeitig den Weg zu mehr Energiesicherheit“, sagt Köhler-Geib.
PM/KfW